INTERVIEW MIT PATRICK – EINEM DEUTSCH-FRANZÖSISCH ÜBERSETZER AUS BERLIN

Patrick ist zweisprachig aufgewachsen, hat französisch-italienische Wurzeln und lebt seit 20 Jahren als freiberuflicher Französisch-Deutsch Übersetzer in Berlin.

Patrick, bevor wir über deine Arbeit sprechen, würde ich gerne von dir erfahren, wie du nach Deutschland gekommen bist.

Ich habe Germanistik und Politikwissenschaften studiert und einen Aufbaustudiengang in deutsch-französischem Journalismus absolviert. Dabei ging es darum, dass Deutsche und Franzosen jeweils über das andere Land berichten. Ich habe in dieser Zeit viel über die Deutschen, ihr Wesen und ihr Land erfahren, was mich stark angezogen hat. So habe ich mit 26 Jahren beschlossen, mein Praktikum in Berlin zu absolvieren und bekam einen Platz bei der taz. Mich hat es immer in die großen Metropolen der Welt gezogen. Darum habe Ich meinen Bachelor in London, meinen Master in Paris und mein Praktikum in Berlin gemacht. Und da bin ich nun!

Gab es etwas, was du damals an den Deutschen komisch fandest?

Ja, es gab ein paar Unterschiede, die ich heute nach zwanzig Jahren allerdings nicht mehr wahrnehme. Ich hatte am Anfang aber oft das Gefühl, dass ich und mein Gegenüber auf einer emotionalen Ebene aneinander vorbeireden. Das war für mich immer wieder irritierend und verunsichernd. Aber auf der anderen Seite habe ich mich auch sehr stark angezogen gefühlt von diesem Deutschland, von seiner Kultur, seiner Geschichte und Literatur. Ich schätze die Sachlichkeit der Deutschen in der Kommunikation. Ich habe auch in anderen Ländern gelebt (Großbritannien, Italien, Frankreich, Argentinien) und habe mir die Frage gestellt, warum man sich an einem Ort wohlfühlt. Da bin ich zunächst auf rationale Antworten gekommen, habe aber später festgestellt, dass es manchmal auch einfach nur ein Gefühl ist.

Die Kommunikation mit Deutschen ist einfach und viel weniger anstrengend. Die Leute unterbrechen sich weniger, sie kommen schneller auf den Punkt, sind logischer, sachlicher und das mag ich, denn es hat eine beruhigende Wirkung auf mich. In anderen Ländern finde ich die Art der Kommunikation etwas komplizierter. Z.B. können die Unterstatements der Briten zwar sehr charmant sein, aber es macht das Ganze auch weniger greifbar. Es fühlt sich an, als ob der Boden nicht so fest ist. Oder das chaotische an den Aktionen mit Italienern... Das sind Klischees, aber für diese gibt es auch einen guten Grund.

Du hast Journalismus studiert – wie bist du von da zum Übersetzen gekommen?

Das hat sich spontan ergeben. Ich habe Aufträge von einer Agentur bekommen, bei der ein Freund gearbeitet hat. Der Freund hatte mich vorgeschlagen und es hat mir sofort Spaß gemacht. Parallel dazu liefen die ersten Schritte im Journalismus nicht so gut. Ich hatte während des Studiums für Zeitschriften geschrieben, aber es fühlte sich für mich nicht stimmig an. Ich merkte, dass ich mich beim Journalismus sehr anstrengen musste – mit dem Übersetzen war das völlig anders. Wenn Dinge zu einem passen, dann gehen sie einem leicht von der Hand. Trotzdem war es auch für mich eine Herausforderung. Am Anfang bekam ich Texte mit niedrigem Schwierigkeitsgrad, um mich in die Techniken des Übersetzens einzufinden und nach und nach wurde der Schwierigkeitsgrad erhöht.

Es gibt auch viele Überschneidungen zwischen Journalismus und Übersetzen: Man muss sehr neugierig sein, gerne neue Informationen aufnehmen, recherchieren und natürlich schreiben.

Journalismus kann sehr schnell oberflächlich sein. Es sei denn man ist ein Experte, hat eine lange Berufserfahrung und kann sich mit einem Thema über Wochen beschäftigen. Aber gerade wenn man anfängt, muss man jeden Tag etwas liefern und man hat einfach keine Zeit, um ein Thema wirklich zu vertiefen. Und das passt einfach nicht zu dem Anspruch, den ich an mich und meine Arbeit habe. Es passierte zu oft, dass ich mir dachte, das ist Quatsch, was ich hier mache. Ich habe mir hier und da ein paar Infos geholt und einige Interviews gemacht und dann bastelt man etwas zusammen und das war's. Und das kam mir einfach nicht sehr seriös vor.

Mit Übersetzungen ist das ganz anders: Die Aufgabe ist sehr klar eingrenzt und ich kann ein perfektes Ergebnis liefern, mit ich selbst zufrieden sein und mich gut fühlen kann. Ich habe hier das Gefühl, dass ich mehr Kontrolle über meine Arbeit habe. Man kann sich in Ruhe damit beschäftigen und wenn ich die Übersetzung abgebe, kann ich ein das Gefühl haben, dass das, was ich gemacht habe, gut ist. Das hatte ich im Journalismus nicht und damit war es für mich nicht zufriedenstellend.

Ein anderer Aspekt ist, dass ich in Ruhe zuhause arbeiten kann. Ich lebe gerne zurückgezogen wie ein Mönch und kann das ganze Wochenende mit einem Buch auf dem Sofa verbringen. Ich konzentriere mich gerne auf eine Sache und bin sehr schlecht mit Multitasking und Netzwerken. Wenn zu viel Chaos entsteht, werde ich nervös. Und im Journalismus muss man viele Leute anrufen, ständig irgendwelche Termine machen, das ist mir einfach zu chaotisch in der Arbeitsweise. Ich brauche definitiv Ruhe und eine klar umrissene Aufgabe und dann kann ich sehr lange, sehr konzentriert arbeiten.

Was genau gefällt dir am Übersetzen?

In erster Linie, dass ich alleine und in Ruhe arbeiten kann und mich richtig auf eine Sache einlassen und mich da hineinvertiefen kann.
Mir gefällt auch die Tatsache, dass man in Kontakt mit der Entwicklung der Wirtschaft und der Technik ist – das ist für mich schon sehr interessant. Ich lerne regelmäßig etwas Neues und bekomme mit, wie sich die Unternehmenswelt entwickelt, was wiederum mit anderen gesellschaftlichen Entwicklungen zusammenhängt. Ich bekomme mit, wie sich die Moden ändern und wie dies die Gesellschaft widerspiegelt und habe so einen sehr direkten Einblick.

Du bist Mitglied im BDÜ? Wieso hast du dich dafür entschieden?

Weil ich den Eindruck hatte, dass man durch die Mitgliedschaft schneller und leichter Aufträge bekommt. Meine Auftragslage war zwar immer gut, aber dadurch, dass ich keinen Abschluss im Übersetzen habe, hat mich das immer etwas verunsichert. Die Mitgliedschaft ist wie ein Gütesiegel, eine Art Ritterschlag, denn die Aufnahmekriterien im BDÜ sind sehr hoch. Ich musste alles ganz genau nachweisen, über die Berufserfahrung, was ich studiert habe, welche Scheine ich gemacht habe usw. So hat der BDÜ nur meine Nachweise vom Englischen und Deutschen ins Französische akzeptiert, obwohl ich auch aus dem Italienischen und Spanischen übersetzen kann. Der BDÜ ist da sehr genau und das finde ich aber auch gut. Wenn sie jeden reinlassen, hätte die Mitgliedschaft keine besondere Bedeutung mehr.

Rentiert sich die Mitgliedschaft im BDÜ für dich?

Es ist wichtig, sich in jedem Beruf zu professionalisieren und den Kunden zeigen zu können, dass man qualifiziert ist. Dafür ist die Mitgliedschaft auf jeden Fall gut. Besonders vor dem Hintergrund, dass ich Quereinsteiger bin. Allerdings habe ich wirtschaftlich keine Vorteile. Ich hatte ein einziges Mal einen Auftrag über den BDÜ bekommen, aber daraus wurde dann nichts, weil die Firma aufgrund der Höhe des Betrages dann doch eine Ausschreibungsverfahren einleiten musste. Rein wirtschaftlich rentiert es sich für mich sicher nicht.

Was hältst du von Post-Editing?

Ich habe schon damit angefangen, weil es immer mehr Kunden gibt, die nur ein Post-Editing wünschen. Ich hatte natürlich am Anfang meine Probleme damit. Meine trotzige Reaktion war, warum ich die Arbeit einer Maschine korrigieren sollte, die mich langfristig ersetzen wird. Aber ich habe schnell verstanden, dass diese Entwicklung unvermeidlich ist. Mittlerweile sehe ich das sogar positiv. Die Maschine wird nicht für alle Textarten einsetzt werden können, z.B. bei Werbung funktioniert das gar nicht. Und ansonsten mache ich Post-Editing gerne, weil ich einfach Spaß an der Sache habe. Es ist eine andere mentale Gymnastik als Revision oder Lektorat. Es macht auch keinen Sinn, einem Kunden zu sagen, dass man Post-Editing-Aufträge ablehnt, weil es dann ein anderer macht und man hat nichts damit gewonnen. Man kann den Lauf der Dinge nicht aufhalten.

Hast du Angst, dass DeepL bzw. KI generell dir irgendwann den Job wegnimmt?

Es wäre nicht gerade ehrlich, diese Befürchtung zu unterdrücken, aber ich gehe mit dieser Frage entspannt um, weil ich glaube, dass es nicht in den nächsten fünf oder zehn Jahren passieren wird. Was ich dann machen werde, weiß ich aber nicht, da ich nie in einem anderen Bereich gearbeitet habe. Ich habe keine anderen Karten, die ich spielen könnte. Ich mag schließlich meinen Beruf und darum hatte ich auch nie die Versuchung, woanders zu schauen, was noch interessant sein könnte. Ich identifiziere mich sehr mit dem Übersetzen und habe wenig Inspiration etwas anderes zu tun. Ich könnte unterrichten, aber ich habe auch keine Lust als Lehrer mit 55 quer einzusteigen. Ich gehe davon aus, dass der Beruf noch lange genug überleben wird und lasse mich dann überraschen. Ich glaube, Übersetzer werden immer gebraucht, um das Ergebnis zu überprüfen und es wird sich letztendlich zum Post-Editing hin entwickeln.

Woher kommen deine Kunden?

Ich habe seit Jahren meine Stammkunden, ab und zu kommen neue Kunden über die Website oder über Jobportale wie proz.com und natürlich gibt es auch Empfehlungen von Stammkunden oder Kollegen.

Stehst du noch hinter deiner Entscheidung, Übersetzer zu werden?

Ich stehe nach all den Jahren noch immer voll hinter meiner Entscheidung und würde es wahrscheinlich wieder so machen. Allerdings würde mich parallel dazu zum Dolmetscher ausbilden lassen, um zwischendurch auch mal etwas anderes zu machen. Davon abgesehen ist Dolmetschen auch wesentlich lukrativer. Ich verdiene zwar auch gut und bin sehr zufrieden damit, aber es gibt immer Luft nach oben. Meine Kollegen verdienen ungefähr das Doppelte von dem, was ich verdiene. Das macht schon nochmal einen Unterschied. Und natürlich ist es immer gut, noch ein zweites Standbein zu haben.

Welche CAT-Tools nutzt du und warum hast du dich dafür entschieden?

Ich verwende hauptsächlich SDL Trados, MemoQ und Across. Das hängt ganz von der Agentur ab, mit der ich arbeite. Ich habe mich also nicht direkt für diese CAT-Tools entschieden, sondern es hat sich so ergeben. Seit einigen Jahren ist SDL Trados Standard, weil die meisten Agenturen und Übersetzer damit arbeiten.

Was würdest du Leuten empfehlen, die sich für das Übersetzen interessieren?

Abgesehen von der Liebe zur Fremdsprache, muss man als Übersetzer bestimmte Charakter-Eigenschaften mitbringen. Man darf nicht davon ausgehen, dass man Übersetzer der große Künstler ist, der Romane von berühmten Schriftstellern übersetzt und Preise bekommt. Man muss damit klarkommen, alleine zu arbeiten, man muss sich gut konzentrieren können, neugierig und genau sein, denn Übersetzen ist eine sehr penible Arbeit. Wenn man diese Charakter-Eigenschaften nicht hat, ist dieser Beruf sicher nicht das Richtige. Es gibt Leute, die viel mit anderen kommunizieren müssen, um glücklich zu sein. Diesen Leuten würde ich sofort abraten, diesen Beruf zu ergreifen. Ich bin zwar sehr kommunikativ und ich habe ein gutes Sozialleben, aber ich genieße es auch, mich ganz alleine und in aller Ruhe in eine Sache zu vertiefen. Sprachen alleine zu lieben, reicht jedenfalls nicht. Für Leute, die nicht so gerne alleine zu Haus arbeiten, aber unbedingt mit Sprachen arbeiten möchten, gibt es aber die passende Alternative: Das Dolmetschen. Und das Gute daran: Es ist – wie schon erwähnt – auch viel besser bezahlt.