Die Dynamik der deutschen Sprache: Das Verschwinden des Präteritums
10.03.2024
Sprachwandel in Aktion: Die Evolution des deutschen Präteritums
Der Sprachwandel ist eine unaufhaltsame Kraft, die die deutsche Sprache ständig formt und neu definiert. Dr. Jens Lanwer, ein renommierter Germanist vom Germanistischen Institut der Universität Münster, enthüllt auf der 60. Jahrestagung des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache faszinierende Einblicke in aktuelle Trends und sprachliche Phänomene.
Das Verschwinden des Präteritums: Eine regionale Perspektive
In einem Gespräch mit Brigitte Heeke erörtert Dr. Lanwer die bemerkenswerte Abnahme des Präteritums in der gesprochenen Sprache insbesondere im Nordwesten Deutschlands. Dr. Lanwer weist darauf hin, dass junge Menschen vermehrt die Perfektform verwenden, anstatt das Präteritum zu nutzen. Ein Beispiel hierfür ist der Unterschied zwischen "du aßt" (Präteritum) und "du hast gegessen" (Perfekt). Diese Tendenz manifestiert sich auch in anderen Regionen Deutschlands und ist Teil eines breiteren sprachlichen Wandels, der die gesprochene Sprache prägt.
Die Rolle der Schriftsprache: Konservatismus und Sprachwandel
Obwohl das Präteritum in der Standardsprache erhalten bleibt, zeigt sich ein dominanter Gebrauch des Perfekts in der gesprochenen Sprache. Ein Beispiel hierfür sind Untertitel und Synchronisationen, in denen das kürzere Präteritum vorherrscht, während im Alltag vermehrt das längere Perfekt verwendet wird. Diese Diskrepanz zwischen gesprochener und geschriebener Sprache verdeutlicht die komplexe Dynamik des Sprachwandels und die Vielschichtigkeit des deutschen Sprachgebrauchs.
Sprachwandel und Spracherwerb: Einblicke aus der Entwicklungspsychologie
Kinder lernen das Präteritum oft spät und werden mit Übergeneralisierungen konfrontiert. Ein Beispiel hierfür ist die Bildung von Formen wie "gehte" als analoge Übertragung anderer Verbformen, die bereits bekannt sind, wie "legte" oder "spielte". Diese Beobachtungen aus der Entwicklungsforschung verdeutlichen die Herausforderungen im Spracherwerb und die Rolle, die der Sprachwandel dabei spielt.
Die Rolle der Lehrmaterialien: Integration von Sprachwandel in den Unterricht
Beispiele aus dem Alltag sollten vermehrt in den Deutschunterricht integriert werden, um ein realistisches Verständnis für den aktuellen Sprachgebrauch zu vermitteln. Ein Beispiel dafür wäre die Verwendung von aktuellen Medien oder Sprachaufnahmen in Lehrmaterialien. Indem Lehrmaterialien den Sprachwandel reflektieren und aufgreifen, können sie dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler eine zeitgemäße Sprachkompetenz entwickeln.
Die Nuancen des Wortes "aber": Verwendung und Funktion
Dr. Lanwer untersucht die Verwendung des Wortes "aber" in der gesprochenen Sprache. Ein Beispiel hierfür wäre die Struktur: "Das Zimmer ist ja ganz schön klein, aber...". Dr. Lanwer zeigt, wie dieses Wort als Möglichkeit verwendet wird, das Gespräch fortzusetzen oder zu beenden. Indem er konkrete Beispiele analysiert, verdeutlicht Dr. Lanwer die Feinheiten der deutschen Sprache und wie diese im Alltag verwendet werden.
Die Verwendung von Abschiedsformeln: Beispiele aus verschiedenen Altersgruppen und Regionen
Ein Beispiel für eine aktuelle Modeerscheinung ist die Verwendung von Abschiedsformeln wie "ciao, ciao". Ursprünglich nur von jüngeren Menschen in großen Städten verwendet, verbreitet sich diese Formel nun in verschiedenen Altersgruppen und Regionen. Dieses Phänomen zeigt, wie schnell sich sprachliche Moden verbreiten können und wie sie den Alltag beeinflussen.
Schlussfolgerung: Sprachwandel als unaufhaltsame Kraft der Evolution
Die Diskussionen auf der Jahrestagung des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache verdeutlichen die Vielschichtigkeit und Dynamik des Sprachwandels. Dr. Jens Lanwer bietet erstaunliche Einblicke in aktuelle Trends und sprachliche Entwicklungen, die unsere Perspektive auf die deutsche Sprache erweitern. Sprache ist ständig im Fluss, und ihr Wandel ist ein faszinierendes Phänomen, das es zu erforschen und zu verstehen gilt. Indem wir den Sprachwandel verstehen und reflektieren, können wir die Entwicklung der deutschen Sprache besser nachvollziehen und ihre Vielfalt und Lebendigkeit wertschätzen.
Quelle: Uni Münster