DIE VIELFALT DEUTSCHER DIALEKTE – EIN SCHATZ UNSERER KULTUR

Vater, Mutter und Kind in bayrischen Trachten

22.02.2024 | von Evarella

DIALEKTE ALS SPIEGEL UNSERER HERKUNFT

Es ist ein lebhaftes Gespräch, das die Wissenschaftlerin Stefanie Prochazka aus Fischbachau mit dem Münchner Merkur über die Bedeutung von Dialekten und regionalen Eigenarten führt. Sie ist der Meinung, die Vielfalt der deutschen Sprache manifestiere sich in den unterschiedlichen Dialekten und Hochsprachvarianten, die oft mehr über unsere Herkunft verraten, als wir zunächst annehmen.

"Man darf erkennen, wo man herkommt", betont Prochazka, während sie die subtilen Nuancen des bairischen Dialekts erläutert. Doch trotz ihrer Lebendigkeit sind viele Dialekte vom Aussterben bedroht, wie sie bedauernd feststellt. Ein Zug voller Schüler, und nur einer spreche noch Boarisch – ein trauriges Zeugnis für den langsamen Verfall einer reichen sprachlichen Tradition.

DIE VIELSCHICHTIGKEIT DES HOCHDEUTSCHEN

Ein interessanter Aspekt, den Prochazka anspricht, ist die Vielschichtigkeit des Hochdeutschen. Entgegen der landläufigen Vorstellung gibt es nicht nur eine einzige Variante des Hochdeutschen, sondern verschiedene regionale Ausprägungen, die durch Akzent, Aussprache und Wortwahl geprägt sind. Selbst bekannte Persönlichkeiten wie Horst Seehofer, denen oft ein Dialekt zugeschrieben wird, sprechen tatsächlich Hochdeutsch mit regionalen Färbungen.

In einem Aufsatz verdeutlicht Prochazka die Unterschiede zwischen Dialekt, süddeutscher Hochsprache und dem allgemeinen Hochdeutsch anhand von Beispielen wie "Bua – Bub – Junge". Diese Variationen spiegeln nicht nur die geografische Herkunft wider, sondern bereichern auch die Sprache mit ihrer Vielfalt.

TRACHT ALS IDENTITÄTSANKER

Ein weiterer wichtiger Pfeiler regionaler Identität ist die Tracht, die gerade auf dem Land noch lebendig ist. Doch Prochazka macht auf einen bedenklichen Trend aufmerksam: Die Tracht verliert zunehmend ihre Alltagsfunktion und wird stattdessen zu einem Accessoire für besondere Anlässe degradiert. Das Oktoberfest, einst ein Fest der Traditionen, mutiert mehr und mehr zu einem "unterhaltsamen Trachtenfasching".

DER EINFLUSS DES NORDDEUTSCHEN HOCHDEUTSCH IM SÜDEN

Warum aber setzt sich das norddeutsche Hochdeutsch im Süden durch? Hier spielt laut Prochazka nicht nur der Eindruck von Bildung eine Rolle, sondern auch die mediale Präsenz dieser Variante. Der Süden Deutschlands, so stellt sie fest, leidet unter einem Selbstbewusstseinsproblem, was sich auch in der Sprache widerspiegelt. Die Frage nach dem richtigen Ausdruck für "Gang" oder "Flur" zeigt, wie stark regionale Eigenheiten mit dem Selbstverständnis einer Region verbunden sind.

AKZEPTANZ UND ERHALT DER VIELFALT

Ein interessanter Punkt, den Prochazka anspricht, ist die Akzeptanz von Dialekten außerhalb ihrer Ursprungsregion. Während einige Nicht-Bayern versuchen, Bairisch zu sprechen, wird dies von manchen als kulturelle Aneignung betrachtet. Prochazka selbst sieht dies gelassen und plädiert für mehr Akzeptanz und Sichtbarmachen der Vielfalt innerhalb Deutschlands.

Abschließend unterstreicht Prochazka die Bedeutung des Erhalts aller deutschen Dialekte. Sie betont, dass die Sprache nicht nur ein Kommunikationsmittel ist, sondern auch ein wichtiger Bestandteil unserer kulturellen Identität. Wie eine alte Nähmaschine, die ins Museum gestellt werden kann, so dürfen auch die Dialekte nicht in Vergessenheit geraten, denn einmal verloren, sind sie für immer verloren.

Quelle: Merkur.de