INTERVIEW MIT MOHAMMED – EINEM DEUTSCH-ARABISCH ÜBERSETZER AUS DER NÄHE VON STUTTGART
Mohammed ist in Ägypten aufgewachsen, lebt mit seiner deutschen Frau und seiner Tochter in der Nähe von Stuttgart und arbeitet als Deutsch-Arabisch-Übersetzer, Dolmetscher und zertifizierter Lehrer für Deutsch als Fremdsprache.
08.02.2024 | von Evarella
Mohammed, bevor wir über deine Arbeit sprechen, würde ich gerne von dir erfahren, wie du nach Deutschland gekommen bist.
Ich komme aus Ägypten, aus El Mansoura, das ist im Norden Richtung Kairo, „wo es nur die hübschen Mädchen gibt“. Das ist ein Spruch in Ägypten, das sagt man dort so. 2013 bin ich mit meiner Frau nach Deutschland gekommen. Ich habe in Ägypten, in Hurgada, 8 Jahre als Reiseleiter gearbeitet und als sie im Urlaub war habe ich sie dort kennengelernt. Eine schöne Liebesgeschichte. Und dann, nach der Revolution, habe ich mich entschieden, Ägypten zu verlassen, um mit meiner Frau nach Deutschland zu gehen. Sie hat vorher zwei Jahre mit mir in Ägypten gelebt. Und da sie aus Schwäbisch Hall kommt, weißt du jetzt, warum ich genau dort gelandet bin (lacht).
Wie ist die politische Situation aktuell in Ägypten?
Gespalten. Aber ich habe schon lange aufgehört, mich damit zu beschäftigen, weil es überhaupt nichts ändert. Und es ist überall auf der ganzen Welt so. Ukraine, Russland, Ägypten, Syrien, Irak, Afghanistan, Amerika, Deutschland…Wo gibt es Frieden? Gerade geht überall alles in die Hose.
Gab es etwas, was du damals an den Deutschen komisch fandest?
Erstmal ist es so, dass ich die Kultur und die Deutschen gemocht habe. Darum habe ich mich auch so gefreut, als diese tolle deutsche Frau plötzlich in meiner Reisegruppe aufgetaucht ist (lacht). Ich kann über mich sagen, dass ich ein korrekter Mensch bin und noch dazu sehr pünktlich. In Ägypten ist das aber anders, da ist alles langsam und das Motto der Leute ist: Komm‘ ich heute nicht, komm‘ ich morgen. Das ist für mich nicht richtig greifbar. Man weiß nie so genau, woran man ist. Diese Nachlässigkeit mag ich irgendwie nicht. Was mich dann aber geschockt hat als ich nach Deutschland kam war, dass nicht alles so korrekt war, wie man es über die Deutschen sagt. Aber die Straßen sind immerhin schön sauber. In Ägypten gibt es viel Müll überall.
Was mir auffiel war, dass die Leute alle so ernst waren, und das habe ich am Anfang nicht verstanden. Ich kannte die Deutschen bisher ja nur als Reiseleiter, also wenn die Deutschen im Urlaub waren und da waren sie natürlich alle gut drauf. So dachte ich, die Deutschen sind locker und haben keine Probleme. Und dann komme ich hierher und jeder auf der Straße ist ernst. Das habe ich nicht verstanden. Aber nach so vielen Jahren habe ich gemerkt, das liegt an der Leistungsgesellschaft. Die Menschen sind nicht anwesend im hier und jetzt, sondern ständig in Gedanken. So ist das Leben hier. Ich bin eigentlich ein sehr stiller Mensch, ich beobachte mehr.
Was hat dich daran gereizt, Übersetzer und Dolmetscher zu werden?
Das waren meine kindlichen Träume. Ich hatte gehört, dass jemand, der Deutsch kann, niemals arbeitslos sein wird. Also habe ich schon in der Schule entschieden, Deutsch zu lernen und habe mir auf eigene Faust ein Übungsheft gekauft, um den Wortschatz und die Grammatik zu lernen. Und dieses Übungsheft hat mich fünf Jahre begleitet, bis ich mein Abitur hatte und die Universität besucht habe. An der Al-Azhar University in Kairo habe ich später Germanistik, Anglistik und Arabistik studiert und mit Bachelor abgeschlossen. Mein Traumberuf war zuerst Reiseleiter, Dolmetscher und dann Lehrer. Und bis jetzt habe ich alle meine Träume realisiert. Und meine Traumfrau habe ich dabei auch noch kennengelernt.
Was genau gefällt dir am Übersetzen?
Die schwierigen Texte und die Herausforderung, sie richtig und gut übersetzen zu können. Das kitzelt meinen Ehrgeiz und macht mir Spaß. Ich hatte das Glück, eine sehr gute Ausbildung und gute Professoren zu haben, so dass ich mich nie wirklich überfordert fühle. Ich suche immer einen Weg, Lösungen für Probleme beim Übersetzen und auch sonst im Leben zu finden. Ich empfinde das daher nie als Belastung oder als Überforderung. Zudem lese ich auch sehr viel, sowohl Deutsch als auch Arabisch und das hilft. Ich bin also auf Herausforderungen gut vorbereitet.
Bist du Mitglied im BDÜ und wenn ja, wieso hast du dich dafür entschieden?
Ja, ich bin schon Mitglied im BDÜ, weil ich mich dort weiterbilden möchte. Bisher habe ich noch an keinem Seminar teilgenommen, aber es ist fest eingeplant. Aktuell finde ich leider noch nicht die Zeit, um mich für etwas einzuschreiben, weil ich vormittags den Sprachkurs gebe. Der Kurs geht von 8:30 bis 12:30 Uhr. Danach halte ich häufig auch am Nachmittag noch Online-Kurse für Unternehmen. In Deutschland gibt es viele Firmen, die Menschen aus aller Herren Länder zum Beispiel Afghanistan, Syrien, Polen, Rumänen hierher zum Arbeiten bringen und diese Leute müssen dann zwangsläufig auch Deutsch lernen. Und natürlich bin ich auch als vereidigter Übersetzer tätig und übersetze offizielle Urkunden. Damit ist bei mir jeder Tag komplett voll. Das ist der Grund, warum ich aktuell noch an keiner Fortbildung teilgenommen habe. Aber auch das wird sich irgendwann ändern. Dann will ich unbedingt einen Kurs für das Übersetzen von Untertiteln belegen. Ich habe da eine Idee, aber die ist vorerst noch geheim (schmunzelt).
Was hältst du von Post-Editing?
Post-Editing habe ich ehrlich gesagt bisher noch nicht gemacht, aber ich bin für alles offen. Ich bin auch bereit, mich in diese neue Tätigkeit einzuarbeiten. Darum habe ich mich auch beim BDÜ angemeldet, um an Fortbildungen teilzunehmen. Ich bin schwer motiviert und habe noch viel vor (lacht)!
Hast du Angst, dass DeepL bzw. KI generell dir irgendwann den Job wegnimmt?
Nein, ich habe keine Angst. Die Welt entwickelt sich zwar schnell, aber so schnell auch wieder nicht, davon bin ich überzeugt. Vielleicht bekommen das andere Generationen mit, aber nicht unsere. Und selbst wenn, habe ich so viele andere Fähigkeiten und Möglichkeiten, dass ich dann eben wieder etwas anderes mache. Ich kann jederzeit weiter als Lehrer arbeiten oder wieder als Reiseleiter anfangen. Das ist für mich alles kein Grund in Panik zu verfallen, da mache ich mich total locker.
Woher kommen deine Kunden?
Über die Website, über den BDÜ, über die Datenbank der Landgerichte und viel über Mundpropaganda. Ich bin in Schwäbisch Hall sehr bekannt, weil ich lange beim Job-Center und beim Landratsamt gearbeitet habe und mein Freundeskreis ist sehr groß. Ich bin überhaupt ein sehr sozialer Mensch und das macht sich auch in meiner Auftragslage bemerkbar.
Stehst du noch hinter deiner Entscheidung, Übersetzer zu werden?
Ja, absolut. Übersetzen und Dolmetschen ist auch das, was ich in Zukunft weiter ausbauen möchte. Dazu werde ich die Kurse langsam auslaufen lassen und die freie Zeit dann in meine Tätigkeit als Übersetzer investieren. Ich liebe das einfach. Und es ist auch nie langweilig, weil es so viele Gelegenheiten gibt, immer wieder Neues zu lernen. Für mich ist es genau das Richtige.
Welche CAT-Tools nutzt du und warum hast du dich dafür entschieden?
Was würdest du Leuten empfehlen, die sich für das Übersetzen interessieren?
Ich kann wärmstens empfehlen, freundlich zu sein. Daran fehlt es bei den meisten Übersetzern. Ich habe das früher auch selbst erlebt. Die meisten sind alles andere außer nett. Im Gegenteil, viele sind total arrogant und wenn dir etwas nicht passt, sagen sie: „Dann hau halt ab“. Das ist nicht ok. Freundlichkeit fehlt. Mundpropaganda ist auch sehr wichtig. Das ist auch, was ich vorhin gemeint habe: Wenn die Leute glücklich sind mit der Übersetzung und dem Erlebnis mit dir als Mensch, dann sprechen sie darüber. Das machen sie aber nicht, wenn du unfreundlich und arrogant bist. Und deswegen haben so viele Übersetzer ein Problem. Dein eigenes Verhalten ist enorm wichtig.
Generell kann ich jedem empfehlen, Übersetzer und Dolmetscher zu werden, weil es einfach ein toller Beruf ist und das spiegelt einem auch die Umwelt wider. Wenn du sagst, du bist Übersetzer oder Dolmetscher, dann schauen dich viele mit großen Augen an. Man bekommt auf jeden Fall viel Anerkennung.
Ansonsten viel lesen und immer den Austausch mit Kollegen und Kolleginnen suchen, denn da erfährt man jeden Tag etwas Neues.