DIE NATIONALSPRACHE LËTZEBUERGESCH – EINE REISE DURCH 40 JAHRE SPRACHLICHE ENTWICKLUNG

Die Altstadt von Luxemburg bei Sonnenuntergang

26.02.2024 | von Evarella

EIN BLICK ZURÜCK: DIE GEBURT EINER NATIONALSPRACHE

Vor vier Jahrzehnten, am 24. Februar 1984, erlebte das Luxemburgische einen historischen Meilenstein, als es durch ein Gesetz offiziell als Nationalsprache anerkannt wurde. Doch dieser Schritt war nicht nur eine rechtliche Formulierung, sondern markierte den Beginn einer identitätsstiftenden Reise für das kleine Großherzogtum.

Die Vorgeschichte dieser Entwicklung reicht weit zurück. Schon im 19. Jahrhundert war das Luxemburgische als regionale Mundart präsent, aber erst im Laufe des 20. Jahrhunderts begann es, eine größere Rolle in der öffentlichen Sphäre zu spielen. Eine entscheidende Wegmarke war die Veröffentlichung von Michel Rodanges epischem Werk "De Renert" im Jahr 1872. Dieses literarische Meisterwerk, das vollständig in luxemburgischer Sprache verfasst wurde, erlangte nicht nur nationale, sondern auch internationale Anerkennung. Es war eine Satire auf die luxemburgische Gesellschaft, die den Geist und die Eigenheiten des luxemburgischen Volkes widerspiegelte.

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EINE EIGENE LUXEMBURGISCHE IDENTITÄT

Die Wurzeln des Luxemburgischen als eigenständige Sprache wurden durch Werke wie "De Renert" gefestigt, doch es brauchte weitere Impulse, um den Weg zur offiziellen Anerkennung als Nationalsprache zu ebnen. Insbesondere während der Zeit der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg wurde die Frage nach der nationalen Identität und der Sprache zu einem zentralen Thema. Die NS-Besatzer versuchten, die Luxemburger zu assimilieren und ihre Sprache zu unterdrücken. Doch die Antwort der Luxemburger war eindeutig: In einer Volkszählung im Jahr 1941 bekannten sie sich mehrheitlich zur luxemburgischen Sprache, trotz des Drucks, sich als "deutsch" zu identifizieren.

Der Weg zur offiziellen Anerkennung des Luxemburgischen als Nationalsprache war lang und von Debatten geprägt. Das Gesetz von 1984 war das Ergebnis eines langwierigen Prozesses, in dem politische, kulturelle und gesellschaftliche Kräfte aufeinandertrafen. Die Diskussionen in der Chamber, dem luxemburgischen Parlament, waren intensiv und reflektierten die Vielfalt der Meinungen und Überzeugungen im Land. Schließlich wurde das Gesetz verabschiedet, und das Luxemburgische erhielt einen festen Platz in der Verfassung des Landes.

VERLUST UND GEWINN: DIE DYNAMIK DER MEHRSPRACHIGKEIT

Die Entwicklung des Luxemburgischen steht in enger Verbindung mit der Mehrsprachigkeit des Landes. Luxemburg ist ein multikulturelles und multilinguales Land, in dem neben Luxemburgisch auch Französisch, Deutsch und Englisch gesprochen werden. Diese Vielfalt ist ein zentraler Bestandteil der nationalen Identität und ein wesentlicher Faktor für den Erfolg des Landes als internationales Finanz- und Wirtschaftszentrum.

Die Akzeptanz und Anerkennung anderer Sprachen wie Portugiesisch und Englisch spiegeln die Offenheit und Vielfalt der luxemburgischen Gesellschaft wider. Der Respekt vor der Sprache ist nicht nur eine Frage der Gesetzgebung, sondern ein Ausdruck von Höflichkeit und Toleranz gegenüber anderen Kulturen. Die Förderung der Mehrsprachigkeit ist ein wichtiger Bestandteil der Bildungspolitik und ein Schlüssel zur Integration von Einwanderern und Migranten.

EINE SPRACHE IN DER EUROPÄISCHEN UNION

Die Einbeziehung des Luxemburgischen als Amtssprache der Europäischen Union ist ein ambitioniertes Ziel, das jedoch mit Herausforderungen verbunden ist. Die EU ist eine Organisation mit 24 offiziellen Sprachen, und die Integration einer weiteren Sprache erfordert sorgfältige Überlegungen und Verhandlungen. Luxemburg ist ein kleines Land mit einer begrenzten Bevölkerung, und die Kosten und logistischen Herausforderungen einer weiteren Sprache könnten erheblich sein.

Dennoch ist die Anerkennung des Luxemburgischen als Amtssprache der EU ein wichtiger Schritt für die nationale Identität und das Selbstbewusstsein des Landes. Es zeigt, dass Luxemburg eine aktive Rolle in der europäischen Gemeinschaft spielen möchte und bereit ist, sich für seine Sprache und Kultur einzusetzen. Die Herausforderung besteht darin, einen Ausgleich zwischen dem Schutz der eigenen Sprache und der praktischen Notwendigkeit der Mehrsprachigkeit in der EU zu finden.

EINE ZUKUNFT VOLLER MÖGLICHKEITEN 

rotz der Herausforderungen bleibt das Luxemburgische eine lebendige und dynamische Sprache. Die steigende Anzahl von Muttersprachlern und die wachsende Präsenz in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens zeugen von einem kontinuierlichen Wachstum und einer neuen Wertschätzung für die Sprache. Luxemburgisch ist nicht nur eine Nationalsprache, sondern auch ein Symbol für die Vielfalt und kulturelle Identität des Landes.

Die letzten 40 Jahre haben gezeigt, dass die Entwicklung einer Sprache ein komplexer Prozess ist, der von historischen, kulturellen und politischen Faktoren geprägt ist. Das Luxemburgische hat sich von einer regionalen Mundart zu einer nationalen Identität entwickelt und steht nun vor neuen Herausforderungen und Chancen in einer globalisierten Welt. Die Zukunft des Luxemburgischen hängt davon ab, wie gut es gelingt, die Balance zwischen Tradition und Innovation, Vielfalt und Einheit zu wahren. Mit der richtigen Unterstützung und Förderung kann das Luxemburgische weiterhin eine lebendige und dynamische Sprache sein, die die Menschen im Land und darüber hinaus verbindet.