DIE LADINISCHE SPRACHE IN GEFAHR – DER KAMPF UM DIE KULTURELLE IDENTITÄT IM GRÖNDERTAL

29.02.2024 | von Evarella
DIE LADINISCHE SPRACHE VERSTUMMT IN DEN DOLOMITEN
Im malerischen Grödnertal, wo die majestätischen Dolomitengipfel den Himmel berühren, hallt eine Sprache wider, die die Jahrhunderte überdauert hat. Doch hinter der scheinbaren Idylle verbirgt sich eine bedrohliche Realität: Das Ladinische, die Sprache der Berge, ist in Gefahr.
EIN VERSCHWINDENDES ERBE: ALARMIERENDE ZAHLEN
Nur noch 40.000 Menschen in fünf Tälern der Dolomiten sprechen Ladinisch: Im Grödnertal, Fassatal, im Gadertal, in Buchenstein und im Becken von Ampezzo. Die Sprache hat 2000 Jahre überlebt – jetzt ist sie vom Aussterben bedroht. Ein Besuch der NZZ-Journalistin Mirjam Moll in St. Ulrich in Südtirol zeigt deutlich die dringende Notwendigkeit, die kulturelle und sprachliche Vielfalt zu bewahren.
DIE BEDEUTUNG VON LEO RUNGGALDIERS LIED
Die Worte von Leo Runggaldier aus seinem Lied "Gherdëina, Gherdëina" zieren die Wände historischer Gebäude und erinnern an die tiefe Verbundenheit der Bewohner mit ihrer Muttersprache. "Gröden, Gröden, deine Muttersprache, sprich sie, sprich sie und vergiss sie nicht" – diese Worte sind ein Aufruf zur Bewahrung und Pflege des Ladinischen in einer sich stetig verändernden Welt.
Gherdëina Gherdëina (1921) von Leo Runggaldier
Gherdëina, Gherdëina,
d'or stiza ti monc,
y luna y luna
da un al auter dalonc.
Gherdëina, Gherdëina,
granda de dut l bën,
ududa, uluda da
nëus drë nsci gën.
Gherdëina, Gherdëina,
dl'oma si rujené
rejona, rejona,
y no te l desmincë.
DIE LETZTEN HÜTER DER TRADITION: IDENTITÄTSKAMPF DER LADINER
Für die wenigen verbliebenen Muttersprachler geht es nicht nur um die Bewahrung einer linguistischen Tradition, sondern um den Schutz ihrer Identität. In einem Meer der Veränderung und kulturellen Verschmelzung kämpfen Menschen wie die beiden Ladinisch-Lehrer Sofia Stuflesser (und David Lardschneider (ITE Raetia) leidenschaftlich dafür, dass die Stimme ihrer Vorfahren nicht verstummt.
DIE DIGITALE REVOLUTION IM DIENSTE DER KULTUR
Im Zeitalter der Digitalisierung eröffnen sich neue Möglichkeiten, die ladinische Kultur zu bewahren und zu verbreiten. Durch die Digitalisierung von Liedern, Büchern und anderen kulturellen Schätzen wird das Ladinische einem breiteren Publikum zugänglich gemacht, während gleichzeitig die Traditionen der Region bewahrt werden. Initiativen wie die Online-Zugänglichkeit von über 400 ladinischen Liedern und die Veröffentlichung von ladinischen Büchern tragen dazu bei, die Sprache und Kultur der Dolomiten für zukünftige Generationen zu erhalten.
DIE URSPRÜNGE DES LADINISCHEN
Die Wurzeln des Ladinischen reichen weit zurück, bis in die Antike, als das Vulgärlateinische auf die Sprachen der Alpenbewohner traf. Über die Jahrhunderte hinweg hat sich das Ladinische entwickelt und angepasst, aber seine tiefe Verwurzelung in der Geschichte der Region bleibt unverkennbar. Die Völkerwanderung, die Einflüsse der Veneter und die Abgeschiedenheit der Berge trugen zur Entstehung und Entwicklung des Ladinischen bei, das sich schließlich in fünf verschiedenen Tälern der Dolomiten manifestierte.
VON UNTERDRÜCKUNG ZU ANKERKENNUNG
Während dunkler Kapitel der Geschichte, wie dem Faschismus, wurde das Ladinische unterdrückt und marginalisiert. Doch dank des Engagements und der Beharrlichkeit der Ladinischen Gemeinschaft wurde die Sprache schließlich als offizielle Amtssprache anerkannt, ein Meilenstein auf dem Weg zum Erhalt der kulturellen Vielfalt der Region. Trotz der Herausforderungen, denen sich die ladinische Gemeinschaft gegenüber sah, blieb ihr Einsatz für ihre Sprache und Kultur unerschütterlich.
LADNINISCH: EINE SPRACHE FÜR DIE NÄCHSTE GENERATION
Trotz der Herausforderungen bleibt die Jugend das Rückgrat des Ladinischen. Durch den Einsatz von Social Media und anderen modernen Kommunikationsmitteln halten junge Ladiner ihre Sprache lebendig und relevant. Sie nutzen das Ladinische nicht nur als Mittel der Kommunikation, sondern auch als Ausdruck ihrer kulturellen Identität und Verbundenheit mit ihrer Heimat. In einer zunehmend globalisierten Welt spielen Tradition und Innovation eine entscheidende Rolle bei der Erhaltung des Ladinischen für zukünftige Generationen.
DIE ZUKUNFT DES LADINISCHEN: EINE REISE IN DIE MODERNE
Während sich das Ladinische weiterentwickelt und verändert, bleibt seine Zukunft ungewiss. Durch die Kombination von Tradition und Innovation könnte das Ladinische auch in einer zunehmend globalisierten Welt weiterhin bestehen, als Symbol der kulturellen Vielfalt und als Ausdruck der einzigartigen Identität des Grödnertals. Mit der Unterstützung engagierter Aktivisten, moderner Technologien und einer lebendigen Gemeinschaft wird das Ladinische hoffentlich weiterhin die Melodie der Berge sein, die die Herzen der Menschen im Grödnertal und darüber hinaus berührt.
Quelle Miriam Moll, NZZ